Verloren in der Pampa und der Kampf zur Cueva de las Manos
El Chaltén
Noch ganz benommen von dem unglaublichen Tag gestern machten wir uns früh auf zum Busbahnhof und fuhren nach El Chaltén. Schon von Weitem erblickten wir den über dem Dorf hervorragenden Fitz Roy, der zwischen Wolken, von der Sonne angestrahlt, majestätisch wirkte. Ein riesiger Felsen, zu dem wir am nächsten Tag wandern wollten.
Wir machten uns auf zum Hostel und schon abends kündigte sich das nächste Unheil an: Schon wieder hatten wir mit irgendwelchen Problemen das Essen betreffend zu kämpfen. Der nächste Tag und unsere Wanderung waren also gelaufen, einen weiteren Tag um abzuwarten, hatten wir nicht.
Raphael, dem es etwas besser ging, erklärte sich bereit, uns Bustickets für die Weiterfahrt zu besorgen und machte sich auf ins Dorf.
Dort ein weiterer Tiefschlag: Der einzige Bankautomat des Dorfes funktionierte nicht und spuckte uns einfach kein Geld aus. Das bedeutete, wir sollten am nächsten Tag in den Norden trampen.
TIPP: nach Chaltén unbedingt genug Bargeld mitnehmen und die Weiterreise sofort klären!
Verloren in der Pampa
Früh morgens standen wir auf, um uns am Ortsausgang zu platzieren. Leider waren wir nicht die einzigen, die auf eine Mitfahrgelegenheit hofften, mit uns warteten mindestens 10 andere Backpacker.
Nach ungefähr zwei Stunden – in denen wir Condore beobachteten und am Straßenrand saßen – hatten wir das Glück, dass uns jemand mitnahm. Allerdings nur bis zur nächsten Kreuzung, der Route 40, die ca. 90 Kilometer östlich liegt und die Hauptroute zwischen dem Patagonischen Norden und Süden darstellt.
Wir waren nicht sonderlich besorgt, alle Touristen, die vom Süden in den Norden wollen, müssen ja diese Route nehmen. Deshalb versprachen wir uns so einige Mitfahrgelegenheiten.
An der Kreuzung im Nirgendwo erwarteten uns schon wieder weitere Tramper auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit. Kurz unterhielten wir uns und erfuhren so, dass gerade zwei Backpacker mitgenommen wurden. Diese hatten den anderen erzählt, dass sie ungefähr 21 Stunden gewartet und an der Kreuzung genächtigt hatten.
Nun gut, langsam ergriff uns leichte Panik. Der Wind peitschte uns mit 80km/h entgegen, die Sonne strahlte ungnädig von oben herunter. 90 Kilometer bis zum nächsten Dorf.
Wir hatten kein Zelt mehr. Hatten 1 Liter Wasser. Und eine Packung Kekse. Und fühlten uns jetzt verdammt verloren.
Nach ein bisschen Recherche – zum Glück hatten wir Offline-Karten auf dem Handy – fanden wir eine Tankstelle in nördlicher Richtung, 35 Kilometer entfernt. Unter normalen Umständen, das heißt ohne Wind und 25-Kilo-Backpacks, berechneten wir einen siebenstündigen Marsch dorthin. Mit Gegenwind und ordentlich Gewicht auf dem Rücken also mindestens acht, neun Stunden, um Getränke und Essen zu erreichen.
Wir beschlossen, es zu versuchen, da wir keine bessere Möglichkeit sahen. Es fühlte sich an wie der Anfang eines unendlichen Weges durch die Prärie. Der Wind brachte uns beim Gehen ins Straucheln, da die großen Backpacks als Windfang fungierten. Diese nie endende Straße lag vor uns und hinter uns und es fiel uns schwer, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen.
Stunde um Stunde wanderten wir auf dem Asphalt. Dann und wann passierte uns ein Auto, zunächst streckten wir unsere Daumen raus und winkten von der Seite, mit der Zeit standen wir mitten auf der Straße, flehten, baten und sprangen erst zur Seite, wenn das Auto ungebremst direkt auf uns zu fuhr. Niemand hatte Erbarmen und nahm uns mit.
Die Rucksäcke wurden immer schwerer, das Wasser immer weniger, die Hoffnung immer kleiner und die Sonne sank immer tiefer. Am Straßenrand lagen Skelette von Lamas und Alpakas und der Wind pfiff uns Steppenläufer entgegen. Der letzte Funken Hoffnung trieb uns immer weiter.
Nach sieben Stunden Fußmarsch, die Sonne war fast untergegangen, wir drehten uns nicht einmal mehr um, wenn ein Auto die Straße entlang fuhr, hielt ein Transporter direkt vor uns.
die Rettung
Wir konnten unser Glück kaum fassen. Zwei Argentinier, ein Vater mit seinem erwachsenen Sohn, nahmen uns mit. Fabian öffnete die klemmende Hintertür und wir quetschten uns zu den zwei Ukrainern, die zehn Minuten vorher aufgelesen wurden, in den Gang. Auch sie wirkten ziemlich dankbar, mitgenommen worden zu sein.
Als unsere Rucksäcke verstaut waren, ging die Reise weiter. Fabian drehte sich lächelnd um und erklärte: “wir fahren bis nach Perito Moreno, falls ihr wollt. Aber wir halten zwischendurch irgendwo. Habt ihr ein Zelt?”
Natürlich hatten wir kein Zelt, denn das war 1 ½ Wochen zuvor in einem Nationalpark ertrunken. Aber wir beschlossen, dass sich das schon irgendwie regeln würde. Bis nach Perito Moreno mitgenommen zu werden, 600km weiter nördlich, war natürlich ein Traum.
Noch einmal wurde gestoppt, um liegen gebliebenen Motorradfahrern zu helfen und wir hielten schließlich an einer Tankstelle, um dort zu übernachten. Der Wind wehte immer noch mit 80km/h und es war eisig kalt, die Nacht ohne Zelt auf dem Parkplatz zu verbringen, ziemlich wenig verlockend.
Wir beschlossen, erstmal einen heißen Kakao mit den übrig gebliebenen Pesos zu bestellen und uns im Inneren des 24h Tankstellencafés aufzuwärmen, während die Ukrainer schon ihr Zelt aufbauten.
Als wir gerade überlegten, wie wir die Nacht verbringen sollten, luden uns Fabian, sein Sohn und dessen Freundinnen alle zu Nudelsuppe mit Bohnen, Mais und Kichererbsen ein. Es gab einfach keine Möglichkeit, wie wir uns jemals für so viel Großzügigkeit revanchieren sollten.
Nach dem Abwasch führte unser Weg zurück in die Tankstelle. Unser Plan sah vor, nicht zu schlafen, sondern stattdessen noch etwas zu kaufen (ein Schild am Schaufenster warb damit, dass auch Euros und chilenische Pesos akzeptiert wurden) und im Café auf den Morgen zu warten.
Der Tankstellenmitarbeiter weigerte sich, weiteres Geld anzunehmen, und beschloss uns die Flasche Wasser stattdessen zu schenken und aus eigener Tasche zu bezahlen. Und als ob wir nicht schon genug Großzügigkeit für den Tag erhalten hätten, kam Fabian nochmal in die Tankstelle, um uns anzubieten, auf dem Boden im Van zu schlafen.
Wir waren so unermesslich dankbar und schliefen erschöpft und sofort ein.





WEiterreise mit den Rettern
Nach einer harten aber windlosen Nacht ging es weiter in Richtung Perito Moreno. Schon nach 10 Minuten wurden wir von der Polizei angehalten. Wir bekamen einen Schrecken: nicht, dass wir jetzt noch unsere Helfer in Schwierigkeiten gebracht hatten.
Der Polizist fragte, wie viele Personen sich im Fahrzeug befänden und Fabian antwortete wahrheitsgemäß. Die Hintertür wurde geöffnet, der Polizist steckte den Kopf in den Hinterraum, in dem wir auf dem Boden hockten, lächelte und sagte: “Gut. Schöne Weiterfahrt. Entschuldigung, dass wir Sie belästigt haben”. Und das war es.
Wir kauften mit aus den Hosentaschen gekramten Euros ein paar Müsliriegel bei einem Kiosk. Jetzt hatten wir wirklich nur noch ganz wenige Pesos, immer noch kein Geldautomat in Sicht.
Der Transporter hielt noch zwei Mal abrupt, da Vater und Sohn etwas entdeckten, worüber sie sich sehr freuten: Halbtote überfahrene Hasen auf der Straße. Mit schnellen Handgriffen wurden deren Leben schmerzfrei beendet und die beiden in Plastiktüten in die Kühltruhe verfrachtet.
Auf unsere verblüfften Gesichter antworteten die beiden nur mit einem Lächeln und mit der Äußerung, dass die Hasen ein köstliches Abendessen abgeben würden. Fabian und sein Sohn lachten und freuten sich über die verunsicherte Reaktion der Ukrainerin. Sehr ungewöhnliche Weise, sein Abendessen zu besorgen, aber eigentlich eine ziemlich gute Idee!
Ein weiterer Halt war nötig, um die Tiere zu häuten und auszunehmen.
neues Ziel: CUeva de las Manos
Unsere Reiseretter fragten uns dann, ob wir nicht doch noch mit zur Cueva de los Manos, der Händehöhle, mitfahren wollten. Die ersten Ureinwohner Patagoniens haben sich dort durch Handabdrücke und andere Malereien verewigt.
Wir hatten diesen Punkt auf unserer Reise schon abgeharkt, denn die Höhle liegt 40 km von der Hauptstraße entfernt im Nirgendwo. Aber bei so einer Gelegenheit, sie doch noch zu sehen, konnten wir einfach nicht nein sagen. Also ging es gemeinsam zu der Höhle, die mitten in einem 150 km langen Canyon liegt.
Das Flussbett des Río Pinturas bat einen wunderbaren Ausblick, der Canyon ist einfach wundervoll!
Eine kleine Hürde gab es: Den Eintritt zu den Cuevas konnte man nur bar zahlen und wir waren wirklich fast komplett blank. Unser neuer argentinischer Freund allerdings handelte ein wenig mit dem Kassenwart und wir durften für den Rest unserer Pesos (weniger als ein einziger Eintritt gekostet hätte) zu zweit an der Führung teilnehmen. Nach ein paar Metern, die man auf einem schmalen Weg am Rande des Canyons entlang läuft, erreichten wir die bemalten Wände.
Die Malereien waren spektakulär und reichen bis 7000 v.Chr. zurück.
Nach einer Essenspause mit frisch eingesammeltem Kaninchen für Allesfresser und Kartoffeln für Kaninchen-verwandte, sowie 2 weiteren Stunden Fahrt, war es dann an der Zeit, sich Lebewohl zu sagen.
Wir wurden noch in die Heimatstadt zu einem Bad im Gartenpool eingeladen und bekamen Küsschen und dann fuhren unsere Wohltäter weiter.
Danke für diese interessante Reise.
